Hypoglykämie
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Definition
Eine Hypoglykämie ist ein Blutzuckerabfall unter 50 mg/dl, dies liegt unter dem physiologischen Wert. Verschiedene Faktoren können für eine Hypoglykämie ursächlich sein. Eine Hypoglykämie ist immer eine Notfallsituation! Bevor nach der Ursache gesucht wird, ist die Behandlung mit Glukose für die betroffene Person entscheidend. Besonders nächtliche Hypoglykämien sind bedrohlich für gefährdete Patient*innen, dies kann in einigen Fällen die Blutzuckerkontrolle in der Nacht erfordern.
Klassifikation der Hypoglykämie bei Menschen mit Diabetes mellitus
Grad 1:
BZ (mg/dl) ≤ 70
BZ (mmol/l) ≤ 3,9
Grenzwert, Zufuhr von schnell resorbierbaren Kohlenhydraten empfohlen.
Grad 2:
BZ (mg/dl) ≤ 54
BZ (mmol/l) ≤ 3,0
klinisch relevante Hypoglykämie
Grad 3:
BZ (mg/dl) k.A.
BZ (mmol/l) k.A.
schwere Hypoglykämie, die zu kognitiven Einbußen führt und somit zur Überwindung Fremdhilfe notwendig macht.
Symptome
Bei einer Hypoglykämie ist nicht nur der Blutglukosespiegel entscheidend, auch die Aussagen über das Befinden des/der Betroffenen und das zeitliche Voranschreiten der Symptome spielen eine Rolle.
Klinisch relevante Hypoglykämie:
Tachykardie, Blutdruckanstieg, Blässe, Schwitzen, Harndrang, Unruhe, Stress, Nervosität, starkes Hungergefühl
Schwere Hypoglykämie:
Vigilanzstörung (Müdigkeit, Schläfrigkeit bis zum Koma), Desorientiertheit, Wesensveränderungen, Apathie, fokale neurologische Defizite, Halbseitensymptomatik/Doppelbilder, generalisierter Krampfanfall
Erstmaßnahmen
- Ruhe bewahren
- Bei dem/der Betroffenen bleiben.
- Hilfe einholen, ggf. professionelle Hilfe (Rettungsdienst), abhängig von Ausprägung der Hypoglykämie.
- Die betroffene Person im Fall möglicher Synkopen in eine sitzende oder liegende Position bringen.
- Bei leichter Hypoglykämie bzw. wachen Betroffenen, orale Gabe von vier bis fünf Traubenzuckerplättchen (15-20g) oder 200ml Saft und anschließend 10-20g langsam resorbierbare Kohlenhydrate z.B. zwei Scheiben Brot, um eine erneute Hypoglykämie vorzubeugen
- Bei fortgeschrittener Hypoglykämie bzw. nicht ansprechbar Betroffenen, Gabe einer Glukagon-Fertigspritze s.c. oder i.m., alternativ ist ebenfalls ein Glukagon-Nasenspray einsetzbar.
- Notfallmäßig: Intravenöse Gabe von 50%iger Glukoselösung mit 1ml/kg Körpergewicht, CAVE: bei Paraversion sind Nekrosen möglich, ausschließlich intravenöse Applikation. Diese ist dringend von geschultem Fachpersonal durchzuführen.
- Merke: Im ambulanten Setting, sollte bei Verdacht der Hypoglykämie immer zunächst Glukose verabreicht werden, der allgemeine Zustand des Betroffenen sollte sich rasch verbessern im Falle einer Hypoglykämie.
- Handeln nach der Hypoglykämie: Wichtig ist es, Ursachenforschung nach der Behandlung der Hypoglykämie zu betreiben, um ein erneutes Auftreten zu verhindern. Bestimmte Medikamente wie Torasemid haben Wechselwirkungen mit Antidiabetika und können deren blutzuckersenkende Wirkung beschleunigen oder verringern.
Fehlerquellen
(Hypoglykämien bei Menschen, die keinen Diabetes mellitus haben, sind sehr selten)
- Therapiebedingte Hypoglykämie mit Insulin/ Insulinsekretagoga = unveränderte Insulingabe bei eingeschränkter Nahrungszufuhr
- Dosierungsfehler von Insulinen; Verwechslung von langzeit- und kurzzeitwirksamen Präparaten, versehentliche doppelte Applikation, Überdosierung von Insulin, versehentliche i.m. Injektion statt s.c. Injektion des Insulins
- Sportliche Aktivität durch insulinunabhängige Aufnahme von Glukose
- Erhöhte Alkoholzufuhr bei einem Menschen mit Diabetes (Glukagonausschüttung wird gehemmt)
- Messfehler durch z.B. Verunreinigungen an der Entnahmestelle, Platzen der Erythrozyten bei starkem Zusammendrücken der Einstichstelle, Stechen in vernarbtes Gewebe
- Wechselwirkung in der Hauptmedikation des/der Betroffenen
- Falsche Dosierung von Antidiabetika, die auch in der Monotherapie zu Hypoglykämie führen können, wie z.B. Glindine
Zur Vermeidung von Fehlern sollte die 6-R-Regel zum Stellen von Medikamenten beachtet werden!